Florian Günther
DUSEL
Gedichte und Geschichten
Edition Lükk Nösens 2004
Nachwort Ronald Klein
100 Seiten, Paperback, 20 x 13 x 0,6 cm
Frankfurter Allee
Haste mal ne Lulle?
Ich blieb stehen
und gab ihm eine.
Feuer?
Ich gab ihm
auch noch Feuer.
Ich bin pleite,
weißte. Ich fühl
mich mies
und keiner will
mich haben …
Und das ist es,
was einem Penner
manchmal
unerträglich
macht:
Sie schnorren,
und wenn du sie
nicht ignorierst,
erzählen sie
dir dein Leben.
Eine Blume in der Wüste
Sie war weg, und ich fühlte mich
belämmert wie ein Grünschnabel, dem
zum dritten Mal dieselbe
Frau davongelaufen war, und
dennoch raffte ich mich auf und
ging zum Supermarkt, um
meinen Wochenendeinkauf
zu tätigen.
Wollen Sie die Zwiebeln wirklich
nehmen? fragte die Kassiererin.
Die stinken doch schon. Ist Ihnen das
nicht aufgefallen?
Ich musterte sie schweigend, und sie
nahm das Netz vom Band und warf es auf den
Boden.
Wollen Sie sich rasch andere holen?
Ich sagte nein. Und als ich draußen
vor der Tür stand,
dachte ich: Warum zum Teufel
gerät man nie an so eine?
Warum sind es immer die,
die hoch hinauswollen?
Der Tag, an dem mein Arsch
mir sagte, daß er mich nicht leiden kann
Wir saßen auf dieser Bank, und
plötzlich sagte mir mein Arsch, daß
er mich nicht leiden kann.
Und Nietzsche? fragte ich.
Wie stehts mit dem?
Nietzsche, sagte er, war cleverer
als du. Er hat den andern
vorgetäuscht, daß er ne Macke hat, damit
sie ihn gewähren lassen. Du dagegen
bist ein echter Fall für den
Psychiater.
Ich stand auf und ging nach
Hause.
Mein Arsch kam mit.
Ich wünschte, sagte ich, ich hätte
einen Arsch, der zu mir hält.
Ich wünschte, sagte mein
Arsch, ich hätte selber
einen Arsch, der zu mir hält.
Wenn du das Maul aufmachst,
kommt eh nur Scheiße raus!
Lyriknacht
Jeder durfte 10
Minuten lesen,
ich benötigte
nur 6. Die Leute
applaudierten.
Ich sackte meine
Kohle ein und
ging zurück in
das Lokal, aus
dem ich kam.
Vivat Quedlinburg!
Ich bin ein Ignorant.
Ich komme nicht viel
rum, ich schnalle nichts,
ich kriege nie so
richtig mit, was läuft.
Doch dann stieg ich
aus meinem Ford und
las den Spruch an
dieser Wand:
ICH LIEBE DIE
VÖGEL, DIE VÖGEL
LIEBEN MICH.
DOCH DER, DEN ICH
LIEBE, DER
VÖGELT MICH
NICHT.
Ich holte meinen
Kugelschreiber raus
und schrieb den Vers
in mein Notizbuch.
Wenn hier die
Sprüher solche Dichter
sind, dachte ich,
wundert es mich
nicht, daß dieses
Nest zum Weltkultur-
erbe gehört.
Zwei Revolutionäre
Warum bist du nur
so? fragte sie.
Sie haben keinen
Rosenkohl bei Plus.
Schon seit drei
Monaten nicht mehr.
Wir zogen los. Doch
wo immer wir auch
hingingen, nirgends gab
es Rosenkohl. Wir
saßen wieder auf dem
Bett.
Erinnerst du dich noch
an ’89, sagte sie. Und
wie wir dachten, alles
würde gut?
Genau. Wir haben vor
dem Fernseher gehockt,
bis uns die Augen
tränten.
Und jetzt gibts keinen
Rosenkohl.
Und alles war
umsonst.
Zwei an einem Tisch
Weißt du, sage ich. Daß ich
verknallt bin, hat nichts
zu bedeuten; verknallt ist
schließlich jeder mal.
Seh ich genauso, sagt
sie. Ganz genau wie du.
Daran ist wirklich nichts
besonderes.
Genau. Und eigentlich ist das
doch ne Krankheit, sage ich.
Nichts weiter als
ne Krankheit, die vergeht.
Stimmt, sagt sie. Verliebt sein ist
nicht Krebs oder AIDS. Verliebt sein
vergeht irgendwann wieder,
und eines schönen Tages wacht man
auf, und es is, als wär
nie etwas gewesen.
Willst du noch n Schluck?
Klar, sagt sie. Einen nehm
ich noch.
Ich schenke ihr nach. Wir
starren einander in die Augen.
Kann einen schon mal
kalt erwischen, sage ich. Man
muß halt durchhalten und aufpassen,
daß man nicht in ernsthafte
Schwulitäten kommt …
Mhm …
Und sich keine unnötigen
Blößen gibt.
Sicher …
Man muß so tun, als
wäre nix, und zur Tagesordnung
übergehen.
Klar doch, sagt sie, und
ihre grünen Augen glitzern.
Ich seh das ganz genau wie
du.