LESEPROBE

Florian Günther

NUTTENFRÜHSTÜCK

 

Edition Lükk Nösens 2000

Nachwort Thomas Günther

112 Seiten, Paperback, 20 x 13 x 0,7 cm

 

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Nachbarn

 

Verpiß dich, zischte sie.

Schlug die Beine übereinander

und winkte dem Barkeeper mit ihrem leeren Glas.

 

Häschen, ich liebe dich doch,

sagte er.

 

Du sollst abhauen!

 

Sie drehte ihre Kippe zwischen

Daumen und Zeigefinger

schnippte sie ihm an den Kopf

und grinste.

 

Warum bist du nur so?

fragte er sie.

Du solltest nicht soviel trinken.

Du bist so anders, wenn du trinkst.

 

Ich bin, wie ich bin, sagte sie.

Kapier das endlich, Armleuchter.

Wenn ich will, hol ich meine Titten raus

und laß jeden, der scharf drauf ist,

dran lutschen, verstehst du?

Ich brauche keinen,

der mir sagt, was ich zu tun

und zu lassen habe, verstehst du?

Schon gar keinen wie dich,

verstehst du?

 

Jetzt heulte sie

und unter ihr, am Fuß ihres Barhockers,

stand eine Tüte mit Schrippen und Suppengrün.

 

VERSTEHST DU?

 

Er griff nach einem Kleenex,

reichte es ihr und machte den Mund auf.

Dann zog er den Schwanz ein,

bezahlte ihre Rechnung und ging,

während die Stammkunden

die Köpfe zusammensteckten

und tuschelten.

 

 

Frieden

 

Sie vergifteten die Kinder

und gaben ihnen einen Gutenachtkuß.

Dann gingen sie raus;

ließen die Tür aber einen Spalt weit offen;

so, wie sie es immer getan hatten.

 

Laß das Flurlicht an, Vater, hauchte sie;

legte sich aufs Bett

und beobachtete ihn dabei,

wie er die Pistole

aus dem Schrank nahm

und den Schalldämpfer aufsetzte.

 

Und vergiß nicht, dich neben mich zu legen,

wenn es so weit ist!

Natürlich dachte er daran.

Aber da war all das Blut.

Mit so viel konnte keiner rechnen.

Er sah sich um.

 

Schließlich ging er in die Küche.

Er setzte sich auf seinen Stammplatz

am Eßtisch, strich das Wachstuch glatt

und rief ins Zimmer: Ich komme, Mutsch!

Dann kippte er zur Seite.

 

Die Medien berichteten.

Die Nachbarn

sprachen von einer Tragödie.

Die Kosten

übernahm die Stadt.

 

 

Das Ende

einer großen Liebe

 

Sie mochte

Schostakowitsch.

Ich auch.

Aber nicht so

oft.

 

 

Alles super

 

Sie brachten diese Show im Fernsehen.

Der Moderator holte sich jemanden

aus dem Publikum und legte ihm die Hand

auf die Schulter.

Sie heißen?

Klaus.

Und wo wohnen Sie?

Eisenhüttenstadt.

Schon mal im Fernsehen gewesen, Klaus?

Nee. Noch nie!

Und, gefällts Ihnen?

Super! Einfach super!

Sie wollen mitspielen?

Klar doch. Deshalb bin ich hier!

Entspannen Sie sich, Klaus. Ich kann Ihnen

versichern, unser Publikum wird sie tatkräftig

unterstützen.

Super.

Die Leute klatschten. Der Moderator lächelte,

Klaus war nervös. Fangen wir an …

 

Ich machte aus, setzte mich auf den Balkon

und riß mir eine Dose Bier auf.

Der Mond klebte am Himmel,

der Himmel war blau, der Verkehr ruhte,

irgendwo bellte ein Hund, im Haus

gegenüber, ging ein Fenster auf, und ein

rotgesichtiger Mann in einem

weißen Unterhemd erschien.

 

 

Die guten Jahre

 

Die 90er Jahre, wird man dereinst

sagen, waren besser, als die 30er, und die

30er Jahre waren besser als die 40er, aber

schlechter als die 50er und 60er.

Aber die 90er waren nicht besser

als die 70er und auch nicht als die 80er,

in denen alles zum ersten Mal da war:

Die nackte Frau im Gebüsch; der angebrochene

Unterkiefer; die ersten verstohlenen Blicke;

die ausgetricksten Bullen; das Mädchen

mit dem verschrumpelten Arm, und dem

unaussprechlichen Namen; der erste Kippen;

der Hunger; die gefrorenen Finger;

Hannes’ Tod; Zieglers Tod; Ninas Tod;

Mischas Tod; der Tod des alten Mannes

von über uns, und der Wahnsinn

seiner Frau, die alle Wasserhähne aufdrehte,

als wolle sie sich und das ganze Haus

davonschwemmen; der Blick

des Jungen, dessen Eltern die Tür

abschlossen, bevor sie sich

auf den Weg in den glorreichen

Westen machten.

 

 

Hitler

 

Es war Sonntagnachmittag. Ich lag

im Bett und las in einem Buch über Paranoia,

daß der Führer nur ein Ei hatte, und das er

Pornographie liebte und

der Gedanke an Geschlechtsverkehr

ihm Angst einjagte, und ich fragte mich:

warum lernte man so was nicht

in der Schule? Erklärte

das nicht alles?

Ich fing an, besorgt an mir herumzutasten,

und ich muß sagen, daß ich auch nicht

wüßte, was ich täte, mit nur einem

Ei; wenn man mich ließe.

 

 

Vor der Schlacht

 

Jeden Tag, bei schönem

Wetter, seh ich sie mit ihren

Puppen auf dem Rasengrundstück

gegenüber sitzen.

 

Sie hören Radio, grölen, erzählen

sich gegenseitig Witze

und schmeißen ihre leeren Flaschen

an die Mauer; während mir

allmählich dämmert,

daß ich alt gewoden bin.

 

Der Schweiß rinnt mir

an beiden Seiten runter. Das Bier

ist schal; mein Leben wackelt,

wie der Stuhl auf dem ich sitze.

 

Und die da draußen, lungern rum,

mit ihren Baseballschlägern,

den Schnappmessern, Pistolen

und wer weiß, was sonst noch, und

warten, ebenso wie ich,

das über uns die Nacht

hereinbricht.

 

 

Action

 

Es

klingelt

 

Ich

nehme

den

Hörer

ab

und

warte

 

Hallo

mit

wem

spreche

ich

fragt

eine

Stimme

 

Sagen

Sie

es

mir

sage

ich

 

Ich

möchte

den

Ulf

sprechen

sagt

die

Stimme

 

Ulf

Ulfi

bist

du

es

ruft

sie

 

Ich

lege

auf

und

denke

 

War

ja

richtig

was

los

heute