VORWORT

THOMAS MEYER-FALK: BANKRÄUBER UND KOLUMNIST

Florian Günther / Catrin

 

Im Juli 2012 begann der linke Bankräuber Thomas Meyer-Falk seine Kolumne „Briefe aus dem Knast“ im „DreckSack – Lesbare Zeitschrift für Literatur“ zu veröffentlichen. Ich bat ihn darum, nachdem ich sein 2010 im Blaulicht-Verlag erschienenes Buch „Nachrichten aus dem Strafvollzug“ gelesen hatte, ein in vielerlei Hinsicht lesenswertes Buch mit Essays und Gedichten zum Thema Freiheitsentzug.

Mir war schnell klar, welch aufklärerische Kraft sowohl in seinen frühen Texten (begonnen hatten wir mit der Geschichte „Knast in Bruchsal – Die Mohnbrötchen-Affäre“* einem humorigen Text über Drogen und Knastbürokratie, die sowohl Meyer-Falks‘ ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit, als auch seine Renitenz gegenüber staatlichen Behörden demonstriert), als auch seinen Kolumnen für den DreckSack steckte, die man hier zum ersten Mal am Stück lesen kann, wenn man nicht zu den Glücklichen gehört, die sämtliche DreckSack-Ausgaben seit dem Juli 2012 zu besitzen. Denn nach wie vor ist das Leben hinter Gittern den meisten von uns entweder gänzlich unbekannt, oder nur in medial verzerrter, oft auch beschönigender Weise geläufig.

Meyer-Falk schreibt ohne Larmoyanz. In nüchterner, manchmal auch humoriger Art und Weise beschreibt er sowohl den ständigen Kampf um minimalste Hafterleichterungen für sich selbst, aber auch für Mitgefangene, willkürliche Zwangsmaßnahmen der Gefängnisleitung, Kleinlichkeiten, Eifersüchteleien, Gewaltausbrüchen unter den Gefangenen, schwelendem oder gar offenem Rassismus (oft sind ihm die fremdländischen Gefangenen näher als die einheimischen, weil politisch eher links), aber auch den Mangel an Sinneseindrücken, den einsamen Nächten und Geräuschen in der jeweiligen Haftanstalt, der frühmorgendlichen Stille – weshalb er früh zu Bett geht und stets um 4 Uhr morgens aufsteht –, dem Warten, allein in seiner 4 mal 2 Quadratmeter großen Zelle.

Die unterschiedlichen Schicksale, der von Meyer-Falk erwähnten Mitgefangenen, fesseln und bewegen, gerade weil es hier nicht um die Rechtfertigung von Verbrechen geht, sondern um das schlichte Überleben hinter Gittern. Daß Meyer-Falk sich dabei gelegentlich wiederholt, muß man hinnehmen, wenn man verstehen will, was die Monotonie des Haftalltags bedeutet; an mangelndem Schreibtalent liegt es jedenfalls nicht.

Nach 11 Jahren Isolationshaft, einer zusätzlichen Pervertierung von Einzelhaft, die der Lehrer-Sohn mit 26 Jahren** antritt, kommt Meyer-Falk in den Regelvollzug und nach Abbüßung seiner regulären Haftstrafe (also nach fast 17 Jahren) in die Sicherungsverwahrung***. Auch hier weist er auf Mißstände hin, klagt er seine (wenigen) Rechte ein, prozessiert er, unterstützt er Mitgefangene, die kaum lesen und schreiben können, schreibt er Hunderte von Briefen an Behörden und Institutionen, deren Vertreter ihn nicht zuletzt seiner mangelnden Unterwürfigkeit wegen wenig wohlgesonnen sind, und nimmt so in Kauf, für den Rest seiner Tage hinter Gittern zu verbringen.

Daß seine Freilassung nach fast 27 Jahren Haft dennoch gelingt, hat neben seiner Unbeugsamkeit auch mit den Menschen zu tun, die sich auf der anderen Seite der Gefängnismauern, über Jahre hinweg für ihn starkgemacht haben, und die hier deshalb nicht unerwähnt bleiben sollen. Einer dieser Menschen ist Catrin, eine langjährige Freundin, politische Mitstreiterin und Unterstützerin von Thomas Meyer-Falk, die (schreibt:) mir den folgenden Brief schrieb:

 

„Es ist mehr als zwanzig Jahre her, daß ich Thomas kennenlernte. Ich folgte damals einem Solidaritätsaufruf von ABC Innsbruck, der dazu aufrief dem Redskin und Bankräuber Thomas Meyer-Falk zu schreiben. Und wie man so schön sagt, war das der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.

Der Briefwechsel wurde schnell sehr intensiv. Etwas später der erste Besuch, der mir nachdrücklich in Erinnerung blieb. Thomas damals noch Hände gefesselt, hinter einer Trennscheibe dazu als Sahnehäubchen ein Beamter an unserer Seite, der zuhörte was wir zu sagen hatten. Ich war unglaublich aufgeregt und als ich wieder gehen mußte, hinterließ die zuschlagende Tür in meinem Magen einen Kloß. Dieses Wissen, ich kann gehen, Thomas bleibt hinter Mauern und Gittern war übel. Nichts desto Trotz nicht abschreckend genug, um mich davon abzuhalten bald allmonatlich die fast 600 km bis zu ihm zu absolvieren.

Es waren nicht nur die Briefe und Besuche, die schnell wie selbstverständlich zu mir gehörten, womit auch meine Kinder aufgewachsen sind. Durch Thomas wurde mir die Knastwelt als Außenstehende weniger fremd. Das lag nicht nur daran, das Thomas einer der Wenigen war der kontinuierlich aus dem Knastalltag berichtete und so die Möglichkeit gab, daß wir Draußen mitbekommen konnten wieviel Absurdität und Willkür das Leben im Knast bedeutet. Abgesehen von diesen Berichten, die ich half mit abzutippen und zu verbreiten, auf indymedia bspw oder auf e-mail Listen, entstand eine erstaunliche Eigendynamik an AntiKnastArbeit.

Über viele Jahre habe ich Gefangene kennengelernt, besucht, geschrieben. Es waren nicht nur die die mir politisch nahe standen, auch sogenannte soziale Gefangene. Denn eins düfte klar sein, wer Kapitalismus, Staat, Konstrukte wie Nationen schlechthin ablehnt, für eine Welt ohne Unterdrückung kämpft, will auch Knäste abschaffen. Das eine ist ohne das andere nicht zu haben. Und es ist unglaublich, wie viele Genossinnen und Genossen, wie viele Strukturen mir vertraut geworden sind und das nicht nur in Deutschland. Zuverlässige und ernsthafte Organisierung ist schließlich lebensnotwendig.

Was wäre also wenn ich dem Soliaufruf von ABC Innsbruck nicht gefolgt wäre?

Mein Herz hätte nicht geflattert wie Blöde, als Thomas mich anrief um zu sagen, daß er wirklich wirklich raus ist aus dem Knast. Diese kindliche Aufregung ihm meine Welt zu zeigen, als er mich endlich besuchen konnte, hätte ich nicht empfinden können.

Und als wir dann zusammen die Veranstaltung im Az Conni in Dresden machen konnten, ein Gespräch über die Knastjahre, wurde mir erst so richtig klar, wie viele Geschichten wir gemeinsam erlebt hatten. Auch das wäre mir nicht vergönnt gewesen, wenn …“

 

*Siehe Anhang.

 

**Weitere Informationen zu seiner Biographie und dem Grund für seine Inhaftierung, finden Sie im DreckSack-Interview mit ihm im Anhang.

 

***Was den DreckSack dazu veranlaßte, eine inzwischen vergriffenen und nur noch als PDF-Datei erhältliche „Sondernummer: Knast“ herauszugeben, die sich dem Thema vielseitig nähert. Sowohl die Interviews mit Thomas Meyer-Falk und dem Soziologieprofessor Johannes Feest als auch der überaus lesenswerten Lebensbericht von Carmen, die gegenwertig als eine von drei Frauen in Deutschland in Sicherungsverwahrung sitzt, sind dieser „DreckSack-Sondernummer: Knast“ entnommen.